Südsee. Erster Reisebericht (Mai 00)
da stehen wir also, fünf seemänner und ziehen an einer
ziemlich dreckigen leine. alles ist feucht und 35grad warm ist es auch und am
anderen ende der leine ist nicht etwa ein widerborstiger anker zum klarieren
oder so. neinnein! da hängt ein landrover. denselbigen den hat unser
polynesischer krieger elegant in den dschungel rutschen lassen. relativ nach
oben geht es und mittels eines grossen holzklotzes haben wir eine winde
improvisiert. wir ziehen also wie die irren und der landrover bewegt sich einen
meter, dann suchen wir einen neuen baum und beginnen von vorne. die frau des
fahrers lacht sich kaputt, denn sie sind ein fröhliches volk, die polynesier
und sie wird uns auch ein mittagessen vorbereiten, am strand, bestehend aus
brotfrüchten, die klopft man vom nächsten baum und wirft sie ins feuer und
dazu gibt's wildschwein, wenn man glück gehabt hat bei der jagd und sonst eben
fisch. wir hatten glück, oder das wildschwein eben pech und alles zusammen wird
auf grossen blättern appetitlich serviert. mittlerweile aber geben unsere
weiblichen expeditionsteilnehmerinnen kluge tips und die andern singen
holzfällerlieder aus alaska. weil von dort sind sie hierher gesegelt und in
zwei stunden sind wir auch sicher oben auf dem berg mitsamt dem landrover. wir
sind unterwegs zu einem alten polynesischen kultplatz, mit einer über zwei
meter grossen steinfigur, einem tiki. die urgrosseltern unserer polynesischen
begleiter sollen dortselbst auch noch menschen verspeist haben. eieiei! wir
sollen uns aber keine sorgen machen, weil das sei lange her und heute eben viel
zivilisierter. das sehe man schon am landrover.
auf den Marquesas sind wir und Hiva Oa heisst die insel. auf 10° süd und 140°
west. das ergibt 11 1/2 stunden zeitverschiebung gegenüber der Schweiz. 4000sm
vom amerikanischen kontinent und nochmals soweit von australien entfernt. einmal
pro woche gibt's ein flug nach Papeete und alle zwei wochen kommt das
versorgungsschiff. zu frankreich gehören sie und die meisten leute, wenn auch
bei weitem nicht alle, sprechen französisch. über 50'000 leute haben in der
voreuropäischen zeit hier gewohnt. jetzt sind es noch ein paar tausend.
während zwei, vielleicht drei monaten des jahres sind die segler hier, sonst
sind die bewohner unter sich. vulkanischen ursprungs sind die inseln. über 1000
meter hoch und tropisch grün. es gibt sandbuchten mit palmen und wundervollem
klarem wasser.
vor drei tagen sind wir angekommen von den Galapagos. 24 tage haben wir
gebraucht für die gut 3000sm. nicht gerade die wahnsinnsgeschwindigkeit, aber
der passat ist etwas zögerlich dieses jahr und die crews der anderen hier vor
anker liegenden schiffe erzählen alle etwas von zwischen 20 und 60 tagen
überfahrtszeit. 'das tor zur südsee' nennt man sie auch, die Marquesas. weil
sie liegen am weitesten östlich und sind der anlaufpunkt der meisten boote. von
Chile und Equador kommen welche, von Mexiko, San Francisco, Hawaii und eben wie
unsere kollegen, mit denen wir die inselbesichtigungstour unternehmen, aus
Alaska. viele kennen wir schon von irgenwo vorher. alle fahren so in etwa die
gleiche route und haben einen ähnlichen fahrplan, diktiert von den
windverhältnissen und der zyclonsaison im südpazifik. also macht der neueste
klatsch die runde. wer hat sich mit wem auf der überfahrt verkracht und wer
wechselt von dem boot auf ein anderes weil eben der skipper auf jenem sei eine
wurst und das schiff ein wrack. arbeiten wie ein sklave müsse man und das essen
sei igitt und einer sucht dringend eine bordfrau weil das alleine segeln hat er
über und... übrigens! wer von euch erinnert sich an 'Indie'? der, der immer
auf seine freundin gewartet hat, noch auf den Galapagos? der hatte plötzlich
fünf frauen auf seinem schiff und wusste nicht mehr wohin! nun. mittlerweile
fährt er auch wieder alleine! naja, alles wie im wirklichen leben. acht meter
lange ist die kleinste der vielleicht zehn yachten in der bucht. der captain ist
ein bärtiger amerikaner und steuert seit sieben jahren solo über die weltmeere.
es gibt vier, fünf andere einhandsegler. die anderen sind meist zu zweit. und
die schiffe sehen nicht ganz so aus wie in den werbeprospeckten der respektiven
werften. die 'Summertale' inklusive. da stehen kanister an deck für
zusatzdiesel und wasser, man kann auch über diverse säcke mit den schweren
passatsegeln stolpern und an den heckkörben da baumeln die bananenstauden. mehr
oder weniger gravierende schäden haben sie auch alle zu beklagen. das
einmonatige dauernde geschauckel geht eben schon ans material. ausgerissene
lümmelbeschläge, gebrochene wanten, zerborstene steuerleitungen und überhaupt
verlorene ruder, von den gestorbenen autopiloten gar nicht zu reden! ein
amerikanischer katamaran hat einen seiner propeller verloren und fährt jetzt
nur noch kreise und ein italienisches schiff hatte wirklich pech, weil bei dem
haben sich die kielbolzen gelockert und die yacht ist abgesoffen. mitten im
pazifik! andersrum hatten sie aber ein riesen glück, weil es war eine andere
yacht in vhf-rufweite. die haben das mayday gehört und die besatzung geborgen.
und wir mit der Summertale, wir hatten unseren speziellen schutzengel dabei. bis
auf ein zerfleddertes grossegel ist alles heil geblieben. so lümmeln wir noch
etwas in den Marquesas rum, steuern dann die Toamotus an, diese flachen
korallen-atolle und werden so in 4 wochen in Tahiti sein.