Cuba. Erster Reisebericht (Ende November 99)
seit jetzt donnerstag sind wir im lande des fidel castro und ich muss schon sagen, es ist
sehrsehr speziell!
man kann das etwas schwer beschreiben, weil es ist eben völlig anders als alles gewesene.
dass die sonne scheint und es warm ist und der passat bläst und das meer blau und palmen
und so, das konnte man sich ja noch denken, aber sonst...
es ist spanien und südamerika und russland und karibik zusammen.
in habana vieja: jede menge sehr prächtiger kolonialer bürgerhäuser mit
stuckverzierungen und so, sieht alles sehr feudal aus, aber alle fenster ohne gläser!
wenn man auf das kaputte schauen würde, könnte man sagen, es ist alles ziemlich kaputt!
und wenn man in einer bar sitzt und auf die leute schaut, ist alles total lebendig und
fröhlich, überall musik, kinder die auf der strasse spielen.. weil autos in der stadt
gibt's fast keine. die strassen sind zu eng! dafür gibt's velo-rikschas. viele autos
fahren sowieso nicht. an den meisten wird gerade rumgebastelt. und die, die gerade
fahren...! durch was sie eigentlich zusammengehalten werden ist nicht ganz ersichtlich,
aber sie sind blitzblank geputzt und jeder sammler von oldtimern würde in den himmel
hüpfen vor freude! und wenn sie fahren, sind sie schnell wie der blitz und riechen wie
eine schlecht geölte dampfmaschine.
die dörfer rundum bestehen aus einstöckigen, farbig gemalten holzhäusern, etwa im stil
des karibischen wilden westens. mit holzveranden und vielen pferden und eseln und
hühnern. alles sehr sauber gewischt und aufgeräumt.
und die bürokratische seite! die einklarierungsprozedur war die aufwendigste aller
zeiten! zuerst kam der doktor im weissen kittel, um zu schauen, ob wir auch alle gesund
und keine pest an bord haben, hatten wir nicht! dann eine dame vom
landwirtschaftsministerium, die sehr verwundert war über die nicht vorhandenen steaks im
tiefgefrierer, uns aber erklärte, die mitgebrachten eier dürften wir nur gekocht essen,
dann jemand vom ernährungsministerium um unsere sonstigen lebensmittelvorräte zu
checken, dann vier leute von der imigration und zum schluss ca. mindestens sieben leute
vom zoll plus ein hund zusätzlich! sie suchten sehr gründlich in allen schränken, der
hund auch! nur was sie eigentlich suchten war nicht ganz klar, der hund vielleicht drogen,
aber ich denke, ein steak zu finden wäre ihm auch recht gewesen und ich vermute, vorallem
das suchen an sich war wichtig! etwa fünf stunden dauerte das insgesammt! aber alle waren
dermassen freundlich und haben gelacht und geschichten erzählt, nicht alles habe ich
verstanden, da des spanischen nur bruchstückhaft mächtig, und alle haben gefragt, ob sie
das schiff mit schuhen betreten dürfen und brachten stapel von formularen mit für
capitano martino zum unterschreiben. überhaupt schon wegen den leuten lohnt sich ein
besuch! sie sind wirklich die nettesten aller zeiten! echt! alle!
heute hat mich der segelmacher hinten auf seinem motorrädchen, marke udssr, jahrgang
napoleon, zu sich nach hause genommen, damit ich das segel begutachten konnte, dass er auf
einer singer-nähmaschine, mit der omama noch socken geflickt hat, und zum teil sogar von
hand(!), für mich genäht hat. dabei wurde ich der ganzen familie vorgestellt und mit
kaffee bewirtet. das segel ist übrigens praktisch wieder neuwertig! auch den letzten noch
so kleinen hick hat er geflickt! ich hätte mir nicht gedacht, dass man das mit so einem
equipment überhaupt machen kann!
tja also. das sind so die ersten, bruchstückhaften, noch unverdauten eindrücke.
man muss das alles noch etwas einordnen. vorallem ist auch die diskrepanz von florida bis
hier, nur eine nacht segeln und doch welten, zuerst zu überschlafen. aber was man sicher
schon jetzt sagen kann: es ist toll hier!
da die nächsten zwei wochen keine gäste mitfahren wollten, haben wir mal ein auto
organisiert und gehen etwas das feste land erkunden. werde euch sicher weiteres berichten.
gerne würde ich euch dazu auch bilder schicken! kann ich aber nicht! meine ganze
komunikation läuft über das inmarsat telefon. 2400bps! würde mich glatt ruinieren!
es gibt nur eine möglichkeit: selber herkommen und sich das ganze anschauen.
Cuba. Zweiter Reisebericht (Mitte Dezember 99)
'der staat tut so, als würde er mich bezahlen, also tue ich so, als würde ich
arbeiten!' sagt der capitano des forschungsschiffes der uni von Havana, mein nachbar, der
seit drei stunden bei mir im cockpit sitzt und geschichten erzählt. ausserdem bin ich zum
abendessen eingeladen. es gibt cubanische paellia, weil heute haben sie crevetten
gefischt.
und sehr stolz sind sie auf ihr land, die cubaner. der populärste mann ist Che Guevarra,
'il Che' wie sie ihn liebevollbewundernd nennen! es gibt bilder von ihm, auch bücher und
t-shirts und die höhle, wo er sich mit seinen kollegen versteckt und die revolution
vorbereitet hat. die haben wir besucht, die höhle. mit seinem schreibtisch und bett und
allem. Fidel Castro ist auch populär, aber ich vermute, nicht so wie Il Che, weil von ihm
gibt's zwar bücher und bilder und höhlen, aber keine t-shirts.
kaufen kann man nicht viel, also eigentlich nichts. aber alles ist möglich in Cuba! und
das sagte der professor für philosophie und geschichte, bei dem wir übernachtet haben,
vor zwei wochen bei unserem landausflug. denn er ist auch stolzer besitzer eines
zweizimmer-hotels in Trinidat, einer wirklich sehr schönen stadt, die man unbedingt
besuchen muss, und das hotel auch, weil die frau des professors ist psychologin und kocht
phänomenal! und vorallem sind die beiden auch wundervolle leute, wissen sehr viel und
erzählen von dem leben in Cuba, von seiner geschichte, seinen problemen und der zukunft.
also dieser professor sagte: wenn du, companero capitano martino, einen weissen elefanten
möchtest, liefere ich ihn dir in drei tagen. wir wollten ihn nicht geliefert, den weissen
elefanten! aber dafür kokosnüsse, ein paar avocados und vielleicht kartoffeln. die
wachsen im garten seines freundes. wie so vieles. weil du brauchst nur auf den boden zu
spucken und am nächsten morgen hast du einen bananenbaum. und kaffee? den brauche ich in
grossen mengen und er ist ausgesprochen sehr gut in Cuba. er wächst auch hier. allerdings
nur für den export. aber auch für den 'mercato negro'. wo der ist, der 'mercato negro',
das kann er uns allerdings nicht sagen, der professor, aber wenn wir das nächstemal
vorbeikommen, dann wird er ihn für mich besorgen, den kaffee.
und nun stehen wir mit der 'Summertale' im hafen von Surgidero di Batabano. einer stadt an
der südküste Cubas. im hafen eigentlich nicht direkt, den der ist versandet. in der
einfahrt spazieren weisse reiher. die pflegen ja nicht auf dem wasser zu gehen, aber sie
haben ca. 60cm lange beine. falls die angaben in meinem cruising guide stimmen, sollten
sie 2.5m lang sein, die beine der reiher, um hier spazieren zu gehen. wir beschliessen,
dass es sie nicht gibt. solche reiher. sogar in Cuba nicht.
aber zwei meter wasser brauchen wir für unsere 'Summertale'! mindestens.
also stehen wir an der aussenmole bei den fischerbooten und eben jenem forschungsschiff.
wir sind froh, überhaupt hierher gekommen zu sein. erstens haben wir seit 10tagen, seit
wir Havana und die Marina Hemingway verlassen haben, nur einsame buchten besucht, mit
palmen und sandstränden und mangroven und hier ist doch wieder eine stadt und zweitens
sollten wir auch herkommen. schliesslich erwarten wir hier ja vier mitsegler aus der
Schweiz. zuerst wurde es von der capitanio bewilligt, das herkommen. dann die bewilligung
von der guarda frontera in Nueva Gerona, des hauptortes der Isla de la Juventud
wiederrufen und dann, nach unseren einwänden und einem sehrsehr langen telefongespräch
eben dieser guarda frontera mit dem hafen von Batabano wurde die wiederrufung der
bewilligung wiederrufen, also die bewilligung wieder bewilligt!
man sieht, es ist alles etwas kompliziert hierzulande. und zudem möchte ja jeder den
anschein erwecken, er arbeite. wegen der eingangs erwähnten scheinbaren bezahlung und
überhaupt.
jedenfalls sind wir eben hier. wir, das sind: theres, meine freundin und first officer und
ich, capitano martino. bis heute. denn heute muss theres zurück in die schweiz.
das sagt sich so leicht. und von Cuba in die Schweiz kommen ist zwar nicht so schwer. weil
da gibt's flugzeuge. aber zu den flugzeugen kommen, das ist das problem. einen zug gibt's.
der fährt allerdings nur dreimal die woche und tickets gibt's nur dreimal pro jahr. dann
gibt's noch einen bus. der braucht aber drei wochen. weil nach jeder dritten kurve muss
man ihn wieder zusammenbauen. wie die uralten sovietischen tragflügelboote. die verkehren
von hier nach der Isla de la Juventud. es gibt fünf von ihnen. drei stehen auf dem
trockenen zwecks reparatur. eines zum gleichen zweck im wasser und das fünfte fährt
dreimal pro cubanischer zeiteinheit. taxis gibt's auch keine hier.
also fragt man am besten jemanden, der ein auto hat. von denen gibt's nicht sehr viele
hier, von den autos. aber der mann von der guarda frontera hat einen freund und der hat
ein solches.
einen 'lada', mit immerhin einer fensterkurbel für alle vier fenster, die nach bedarf im
auto rumgereicht wird, die fensterkurbel. je nach dem, wer gerade sein fenster öffnen
oder schliessen möchte. öffnen ist besser. weil es ist sehr heiss heute und zudem dringt
ein teil der auspuffgase durch ein grosses loch im boden ins auto, das auch keinen blinker
hat. nur eine hupe. die betätigt man einmal um ein abbiegen nach steuerbord anzuzeigen
und gleichzeitig legt man die hand aufs autodach. zweimal hupen und die hand zum fenster
raushalten heisst: ich drehe jetzt dann nach backbord. vielemale hupen und winken heisst
entweder: ola companero! oder: gleich werde ich langsamer fahren und unter umständen
vielleicht sogar anhalten.
der freund des freundes fährt uns also die sechzig kilometer zu einem verhandelbaren
preis. das ist zwar verboten, leute in privatautos gegen dollars rumzufahren, aber der
handel im büro des hafenkapitäns besiegelt, nach dem üblichen einklarieren mit zoll,
imigration und gesundheitsbehörde, nachdem wir gerade mal 100sm gefahren sind nach dem
letzten ausklarieren mit zoll, imigration und gesundheitsbehörde, macht die sache
offiziell und bei einer eventuellen polizeikontrolle sind wir kein taxi sonder sowieso
alles amigos.
und die grün uniformierten, bärtigen revoluzionäre küssen meinen first officer zum
abschied und alle freuen sich, dass sie am 25. wieder hier sein wird, weil dann gehen wir
sie alle zusammen am flughafen abholen!
also daran muss man sich auch zuerst gewöhnen! nicht nur, dass die hüter des sozialismus
einem die freundin küssen, aber wenn man jemanden zum zweiten mal sieht, und wenn es der
beamte vom zoll oder der colonello von der guarda frontera ist, dann umarmt und küsst man
sich. stellt euch mal vor ihr würdet den zöllner am flughafen kloten bei eurer abreise
umarmen! aber hier, wo Varadero und die touristen weit weg und sich alle zwei jahre mal
ein fremder her verirrt und dazu noch mit einem segelboot, ist man die attraktion. jeder
freut sich, möchte einem einen gefallen erweisen und nach drei tagen ist man in der
ganzen stadt bekannt.
und weil wir jetzt schon zum flughafen fahren, kommt der freund des freundes gleich mit.
und in Havana gehen wir noch seekarten kaufen, die mir fehlen. in einem geschäft, dass
zwar schon geschlossen hat, aber eigens für uns wieder aufgeschlossen wird. und die
seekarten sind auch vorhanden, etwas verstaubt, was aber nichts macht, weil der besitzer
des geschäftes wischt sie mit einem extra kartenwischbesen ab und auch nicht berichtigt,
die seekarten, was aber auch nichts macht, weil ein freund des freundes mit dem auto, der
ist auch capitano, auf einem fischerboot, und der hat die berichtigungen und weiss sowieso
sehr viel über die gewässer hier, dass wird er mir alles erzählen und morgen gehen wir
alle zu einem freund des freundes, von wem ist mir jetzt entfallen, aber jedenfalls gehen
wir zu ihm nach hause, weil der hat einen grossen tisch, auf den wir die seekarten legen
und die berichtigungen einzeichnen können.
und jetzt gehen wir noch abendessen in havana und dann zum flughafen.